Die 5 größten Herausforderungen für den ÖPNV in 2023

Saskia Richter

Saskia Richter

März 2, 2023

Fast 60% der ÖPNV-Experten im Wirtschaftsraum Europa, Naher Osten und Afrika sehen die Elektrifizierung der Flotten als Thema Nummer 1 für 2023 und folgende Jahre. Immer mehr Busflotten in Europa sind in diesem Zusammenhang auf dem Weg, komplett emissionsfrei zu werden.

Optibus führte im Dezember 2022 eine Branchenumfrage zu den Erwartungen und Überlegungen hinsichtlich der größten Herausforderungen für 2023 und die folgenden Jahre durch. Mehr als 250 PlanerInnen, DisponentInnen, Führungskräfte und IT-Fachleute nahmen an der Umfrage teil. Die Ergebnisse spiegeln eine globale Perspektive wider, die Sie im Global Industry Report nachlesen können. Gleichzeitig konnten auch einige regionale Nuancen bei der Bewertung der genannten Herausforderungen identifiziert werden.        Bericht hier herunterladen

Der folgende Beitrag konzentriert sich auf die genannten Herausforderungen für den Wirtschaftsraum Europa, Naher Osten und Afrika und betrachtet diese spezifisch für den DACH-Markt. Die Überlegungen berücksichtigen auch, wie der Einsatz von Technologie bei der Bewältigung der genannten Herausforderungen helfen kann.

 

Elektrobusse auf dem Vormarsch

Getrieben werden die Bestrebungen zur Emissionsfreiheit primär durch die EU-Richtlinie über die Beschaffung sauberer und emissionsfreier Straßenfahrzeuge (Clean Vehicle Directive). Sie wirkt sich auf alle Beteiligten aus: Die Aufgabenträger müssen ihre Kriterien in Ausschreibungen anpassen, und die Verkehrsbetriebe müssen diesen Folge leisten, um den Zuschlag für genannte Ausschreibungen zu erhalten.

Im Mai 2022 fuhren laut VDV auf deutschen Straßen rund 1.200 Elektrobusse und weitere sind bestellt. Bundesweit setzen laut einer PwC-Studie (2021) bereits 116 Städte und Gemeinden Busflotten mit elektrifiziertem Antrieb ein.

 

Inflation und steigende Kraftstoff- und Energiekosten drücken die Stimmung

Die Inflationsrate lag in Deutschland im Februar 2023 bei 8,7%. Private und öffentliche Verkehrsbetriebe sowie die Aufgabenträger sind in vielerlei Hinsicht mit höheren Kosten konfrontiert. Dazu gehören insbesondere für Verkehrsbetriebe steigende Betriebskosten für Treibstoff, aber auch für Strom sowie Wartungs- und Reparaturkosten. Darüber hinaus ist noch unklar, wie sich Inflation und generell steigende Kosten auf die tatsächlichen Fahrgastzahlen und damit auf die Einnahmen auswirken werden. 

Wirtschaftsexperten sind sich einig, Unternehmen aller Sektoren können den Auswirkungen der Inflation unter anderem dadurch begegnen, dass sie ihre Effizienz steigern. Die große Herausforderung in diesem Zusammenhang ist es, die Abläufe so zu optimieren, dass die Kosten auf ein notwendiges Minimum reduziert werden können.

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Fahrpersonalmangel gefährdet den ÖPNV

Ein Drittel des derzeitigen Fahrpersonals in Deutschland ist aktuell älter als 55 Jahre und damit vom Renteneintrittsalter nicht mehr weit entfernt. Zudem haben Verkehrsbetriebe Schwierigkeiten, neues Fahrpersonal zu finden. Nach Angaben des Bundesverbands Deutscher Omnibusunternehmer fehlen bereits jetzt bundesweit mehr als 5.000 Busfahrer*Innen. Mit der geplanten Verkehrswende wird sich dieser Mangel bis 2030 auf rund 76.000 erhöhen. 

 

Regierung plant tiefgreifende Reformen im ÖPNV

Um einen qualitativ hochwertigen ÖPNV anbieten zu können, müssen alle am System Beteiligten an einem Strang ziehen. Das sieht auch die Ampelkoalition so und plant laut Bundesverkehrsminister Wissing nach dem Testlauf des 9-Euro-Tickets im Sommer 2022 tiefgreifende Reformen für einen dauerhaft attraktiven ÖPNV in Deutschland. Primäres Regierungsziel ist es, ein "verständliches, einheitliches und kundenfreundliches Angebot” auf die Beine zu stellen und neue, flexible Transportmöglichkeiten zu schaffen. Unsicherheit herrscht im Markt zum Thema Tarifsystem und Finanzierung des Nahverkehrs, insbesondere vor dem Hintergrund des geplanten Deutschlandtickets. Aber auch zum Thema Fördermittel und Elektrifizierung der Flotten im Rahmen der EU-Verordnungen.

 

Der ÖPNV muss digitaler werden

Mit zunehmender Verfügbarkeit von Technologie im Alltag erwarten die Fahrgäste von öffentlichen Verkehrsmitteln das gleiche Maß an Komfort und Vorhersehbarkeit. Daher ist ein nahtloses, digitales Erlebnis heute wichtiger denn je. Die Fahrgäste erwarten unter anderem, dass Informationen über Fahrpläne und Streckenänderungen klar kommuniziert werden und leicht zugänglich sind. Ticketsysteme sollten ebenso digital verfügbar sein und einheitlich auftreten. Multi- und intermodaler Transport sollen zu mehr Flexibilität, Individualität und besserer Konnektivität beitragen. 

Die Verkehrsbetriebe müssen entsprechend digitaler werden, um den Anforderungen der Fahrgäste gerecht zu werden und Informationen in Echtzeit zu sammeln und bereitzustellen.

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Zeit- und Kostenersparnis mit Technologie

Der Einsatz von Daten, Algorithmen und maschinellem Lernen ist eine Möglichkeit, den genannten Themen zu begegnen und ist auch im ÖPNV immer mehr auf dem Vormarsch. Algorithmen helfen, manuelle Aufgaben zu automatisieren, große Datenmengen schnell und präzise zu verarbeiten und auf deren Grundlage Empfehlungen in Echtzeit zu geben, die zu einer schnelleren und datenbasierten Entscheidungsfindung beitragen.

Demografische Daten helfen unter anderem bei der Planung des Angebots von Aufgabenträgerseite und können in Verbindung mit weiteren historischen sowie Echtzeitdaten die Effizienz der Netze erhöhen und somit die Servicequalität verbessern.

Verkehrsbetriebe können auf Grundlage von Algorithmen verschiedene Szenarien generieren und diese kurzfristig anpassen.

Digitale Softwarelösungen helfen auch bei der schnellen Erstellung und Validierung von Streckenvarianten und Fahrplänen. Fahrpläne können auch auf der Grundlage von Kennzahlen wie Pünktlichkeit, Kosten, Effizienz und Servicequalität optimiert werden. Darüber hinaus bieten sie den Fahrgästen genaue Routen- und Fahrplaninformationen, da sie problemlos GTFS- sowie VDV-Daten erstellen und pflegen können, so dass der Dienst auch in bereits genutzten Anwendungen wie zum Beispiel Google Maps angezeigt wird. Die digitalen Tools unterstützen auch die Kommunikation mit Fahrgästen in Echtzeit, um sie über Betriebsstörungen, Umleitungen, lange Wartezeiten und mehr zu informieren. 

Lösungen, die Besonderheiten wie den Batteriestatus von E-Fahrzeugen in Echtzeit berücksichtigen, können dabei helfen, schnell verschiedene Szenarien durchzuspielen und effizientere Fahrpläne zu erstellen, die gleichzeitig Stromkosten und Ladezeiten optimieren. Somit können schließlich auch die Anschaffungskosten für Neufahrzeuge reduziert werden.

Die Anpassung der Dienstpläne an die individuellen Bedürfnisse und Vorlieben des Fahrpersonals kann große Herausforderungen lösen, wie z.B. die Verringerung der Ermüdung. Dies ermöglicht den Verkehrsbetrieben auch, sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren. Eine flexiblere Planung berücksichtigt dabei nicht nur die Verfügbarkeit des Fahrpersonals in Echtzeit, sondern auch gewerkschaftliche Regeln und Vorschriften (z.B. für Pausenzeiten und Überstunden). 

Digitale Systeme unterstützen letztlich auch bei der automatisierten Erstellung von (Dashboard-)Berichten und deren Analyse. Auf Grundlage der Datenbetrachtung kann dann identifiziert werden, welche Parameter in welcher Form angepasst werden müssen, um effizientere Fahrpläne zu erstellen und somit allen Anforderungen an einen gerechten, zuverlässigen und kundenfreundlichen ÖPNV gerecht zu werden.

Topics: Transportation, Algorithms, Blog